Print Design in Zeiten der “Wisch-weiter Gesellschaft”

Feb 23, 2021 | Agentur

Ebook, Twitter oder Blogartikel wie diesen: gibt es für Print überhaupt noch einen Platz on unserer digitalen Welt? mattrs hat den Kampf zwischen Print und Digital genauer unter die Lupe genommen.

Die “Swipe-Away-Kids”

Morgens nach dem Aufstehen kurz den Nachrichtenfeed checken, auf Twitter schauen, was die Freunde dazu zu sagen haben, schnell das Frühstück instagrammen und in der Bahn die große Tinder-liebe matchen –
das digitale Zeitalter öffnet uns Türen, es verbindet und entfremdet uns, lässt uns Gemeinsamkeiten miteinander teilen und spaltet uns indessen in der Kommentarsektion eines Facebook Posts. Wir glauben weniger und wissen mehr, suchen mehr und finden schneller. Und das alles möglichst in Echtzeit.

Kein Wunder also, dass nicht nur wir das digitale Zeitalter prägen, sondern auch wir, die sogenannten “Swipe-away-kids”, geprägt werden. Laut einer Studie von Microsoft beträgt unsere Aufmerksamkeitsspanne ca. 8 Sekunden. Tendenz sinkend. Auch digitale Medien bekommen diesen Trend zu spüren: Kurze Tik-Tok Clips laufen Youtube Videos den Rang ab und selbst die Tagesschau präsentiert mittlerweile die Nachrichten des Tages in durch-swipe-baren, kurzen und knackigen Headlines à la Instagram oder Tinder.

Kaum vorstellbar, dass die Druckindustrie in den letzten Jahren mit ca. 20 Milliarden Euro Umsatz jährlich vergleichsweise stabil geblieben ist (Quelle: .https://www.vdm-mitteldeutschland.de/) Wie kann es sein, dass sich die traditionellen Medien noch immer zu halten scheinen? Wie Studien zeigen, liegt dies vor allem daran, dass der “digitale Medienbruch” – das heißt das Alter, ab dem die Akzeptanz digitaler Produkte sinkt – bereits ab einem Alter zwischen 35 und 44 Jahren auftritt. Nichtsdestotrotz steigt die Anzahl sowie die Akzeptanz digitaler Medienangebote kontinuierlich. Fakt ist: Die Digitalisierung ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Doch welchen Stellenwert hat Print noch in einer digitalen Gesellschaft?

Information

Infomaterial, Paper oder Lehrbücher – das Thema Digitalisierung wurde in der Bildung eher stiefmütterlich behandelt. Selbst an auf Medien & Digitalisierung spezialisierten Hochschulen sind Online-Folien und PDFs noch immer das höchste der Gefühle.
Auf den ersten Blick erscheint das sinnvoll. Wenn man bedenkt, dass 59% der Bevölkerung längere Texte lieber auf Papier als auf dem Bildschirm lesen (Quelle:https://www.sourc-e.com/post/druckindustrie-2019-konjunktur-zahlen-ausblick ). Zudem belegen einige Studien, dass Inhalte längerer Texte, die über Print vermittelt wurden, besser und genauer verstanden und zudem länger behalten werden können. Die haptische Erfahrung spielt für die Informationsaufnahme also auf jeden Fall eine Rolle.

Andererseits wird ein bloßer Vergleich von PDFs oder einfachen WordPress-Blogs den digitalen Möglichkeiten der Informationsvermittlung nicht ganz gerecht: Von Erklärvideos über interaktive Infografiken (https://letsmattr.de/grs) bis hin zu 3D-Schaubildern gibt es eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten, komplexe Inhalte anschaulich zu vermitteln, die im Printbereich verloren gehen würden. Werden Animation, Sound und Bewegtbild jedoch übermäßig eingesetzt, kommt es zum sogenannten “cognitive overload” und die Informationen werden nicht richtig wahrgenommen.

Ob Print oder Digital ist daher ganz davon abhängig, welche Inhalte vermittelt werden sollen. Während sich für dynamische Informationen mit kurzer Gültigkeit eher Online Medien eignen, können Printprodukte bei Informationen mit langer Gültigkeit von Vorteil sein und steigern die Glaubwürdigkeit.

Emotion

Mittlerweile scheinen Werbekampagnen ausschließlich für den digitalen Bereich konzipiert zu werden. Tatsächlich lassen sich mit Bewegtbild, dem richtigen Soundtrack und gutem Storytelling einzigartige Momente schaffen. Richtig gestaltet, können Online Medien sehr immersiv sein und den Leser in fiktive Welten abtauchen lassen. Besonders gut darin sind zum Beispiel die sogenannten “Rich Media”, welche versuchen, möglichst viele verschiedene Sinne anzusprechen.

Doch auch Print kann immersiv sein: Das Konsumieren von Printprodukten verlangt viel Aufmerksamkeit, weshalb häufig das Erlebnis des Lesens im Vordergrund steht. Dadurch ist es viel einfacher, eine starke Bindung zum Lesenden aufzubauen. Die Emotionalität rund um das Buch ist das beste Beispiel dafür. Hinzu kommt eines der wichtigsten Bedürfnisse der Designpsychologie: das Festhalten von Bedeutungsvollem und das Sammeln bedeutungsvoller Dinge. Verstärkt wird diese Bedeutsamkeit zudem durch eine Knappheit: Gibt es von einem Magazin nur eine limitierte Auflage, steigt das Gefühl etwas besonders Wertvolles in den Händen zu halten.

Auch hier gibt es also keinen klaren Sieger. Stellt sich nun die Frage: Wie nachhaltig sind die beiden Konkurrenten?

Nachhaltigkeit

Unendliches Wachstum auf einer endlichen Erde ist schlichtweg nicht möglich. Es ist daher umso wichtiger, möglichst ressourcenschonend, klima- und umweltfreundlich zu arbeiten.

Beginnen wir also mit der offensichtlichsten Ressource: dem Papier. Weltweit sind die Deutschen – was den Verbrauch von Papier angeht – absolute Spitzenreiter. Alleine 2019 verbrauchten wir fast 230 Kilo Papier pro Kopf. Zwar hat durch den Anstieg der papierlosen Kommunikation in vielen Büros der Verbrauch etwas abgenommen. Nichtsdestotrotz führt der immense Papierbedarf dazu, dass in vielen südamerikanischen Ländern hektarweise Regenwald gerodet wird. Viele Druckereien bieten daher recyceltes Papier (z. B. das Papier von blauer Engel), spezielle Naturpapiere oder Papiere mit Gütesiegeln an, welche einen ökologischen Anbau garantieren (z. B. das FSC Siegel). Recyclingpapier hat zudem einen niedrigen Wasserverbrauch in der Herstellung und somit einen doppelt positiven Effekt.

Zudem gibt es einige Möglichkeiten, das Druckverfahren möglichst umweltschonend zu gestalten. Beachtet werden dabei der Energieverbrauch, die verarbeiteten Chemikalien & Farben und die Möglichkeit zum Recycling. Darüber hinaus bieten viele Druckereien eine CO2-Kompensation für den Druck an.

Tatsächlich ist der CO2-Verbrauch ein wichtiges Stichwort, wenn es um den Vergleich zwischen Print- und digitalen Medien geht. Gemessen wird der CO2-Äquivalent (CO2eq, Zeitraum von 100 Jahren). Das bedeutet, welche Energie benötigt wird, um das Produkt herzustellen bzw. zu nutzen. Vergleicht man Webseiten mit Printprodukten (unter Berücksichtigung von Herstellung, Rechenleistung, Stromverbrauch und Transport), liegen die Websites aus Sicht der Nachhaltigkeit vorne.

Allerdings gibt es auch hier noch Handlungsbedarf. Durch durchdachte Gestaltung einer Webseite (Link:https://sustainablewebdesign.org/) kann die Nutzung weitaus effizienter machen und den Energieverbrauch deutlich senken. Gutes Webdesign bedeutet also auch: ein nachhaltiges Internet.

Print oder Digital?

Die Entscheidung ist ein entschiedenes Jein. Sowohl Print- als auch digitale Medien bringen Vor- und Nachteile mit sich. Natürlich haben digitale Medien Printprodukte in vielen Bereichen ersetzt. Nichtsdestotrotz gibt es Felder, in denen Printprodukte noch immer unersetzlich sind. Beide Varianten haben ihre Daseinsberechtigung. Aber noch viel wichtiger ist, dass sie nicht nur co-existieren, sondern auch symbiotisch eingesetzt werden können. Die Antwort lautet nicht mehr “entweder…oder”, sondern “und”: Werden Print und Digital geschickt verknüpft und die Stärken Beider genutzt, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Seien es Augmented Reality Schaubilder in Bedienungsanleitungen, Informationsvideos in Broschüren oder interaktive Plattformen begleitend zu Magazinen. Mit der täglichen wachsenden Zahl an digitalen Innovation sind auch wir täglich auf der Suche nach neuen Kombinationsmöglichkeiten und Potentialen.

Akina Hocke

Akina Hocke

Werkstudentin Informationsdesignerin mit Fokus auf UX/UI

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

about ideas, identities, people & brands