Wir wollen mehr Sinn wagen!

Nov 18, 2019 | Agentur

Benjamin Quiram über den Ruf von Unternehmen, Trends in Marketing und Kommunikation und warum Marken sich sinnvoll erfinden müssen, um nicht unterzugehen.

Der Klimaschutz hat die Digitalisierung als gesellschaftliches Top-Thema abgelöst. Was bedeutet das?

Es stimmt. Wir befinden uns in einem neuen Zeitalter: Jahrelang waren Google, Apple, Facebook, Microsoft und Amazon unsere gesellschaftlichen Treiber und haben neue Geschäftsmodelle entwickelt. Sie haben maßgeblich bestimmt, was und wie wir denken. Amazon hat unsere Erwartungshaltung als Kunden neu definiert, Google hat Wissen verfügbar gemacht und Apple das Designverständnis einer ganzen Generation geprägt. Aber diese gesellschaftliche Party ist vorbei. In den kommenden Jahren werden Nachhaltigkeit und Klimaschutz die Diskussionen bestimmen. Die Digitalisierung bleibt dabei natürlich ein wichtiges Thema, aber sie wird normaler. Jetzt steht die Jugend auf und wirft den Eliten Versagen beim Klimaschutz vor. Und sie reißt viele Teile der Eltern und Großelterngeneration mit. Das verändert das Umfeld, in dem Unternehmen und Marken agieren.

Was bedeutet das für Unternehmen und Marken konkret?

Sie müssen zuhören und handeln. Zuhören, was sich Verbraucher wünschen, und dann Produkte entwickeln, die diesen Wünschen Rechnung tragen. Schon heute schauen immer mehr Menschen auf die CO²-Werte beim Autokauf. Manager entscheiden sich innerdeutsch Bahn zu fahren, statt zu fliegen. All diese Entwicklungen sind kein Entweder Oder, spiegeln aber doch wider, womit es Unternehmen vermehrt zu tun bekommen. Früher schrieben wir vom aufgeklärten Verbraucher. Jetzt weiß er nicht nur, was richtig wäre, sondern will auch danach handeln. Und in diesem Kontext hat die Sinnsuche von Unternehmen begonnen.

Ist das denn neu?

In dieser Intensität ja. Als grundlegender Gedanke nein. Fairerweise muss man sagen, dass viele Unternehmer, Marketer und PR-Profis schon seit einiger Zeit über den Purpose von Unternehmen diskutieren und durchaus auch danach handeln. Doch viele brauchen Unterstützung von außen, wenn sie dem „höheren“ Sinn ihres Unternehmens auf den Grund gehen. Das ist absolut nachvollziehbar.

Unternehmen sollen Produkte für Kunden entwickeln, Gewinne machen, für Beschäftigte da sein, ökologisch verantwortlich handeln und in dem direkten Umfeld, in dem sie tätig sind, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

Gibt es Positivbeispiele bei der Sinnsuche?

Natürlich: Schauen Sie sich die Top 10 des Purpose Readiness Index an. Da sind Bosch, Continental, Rewe und auch Adidas ganz vorn vertreten – auch wenn viele Unternehmen leider immer noch schlecht abschneiden. Oder nehmen Sie die spannende Entwicklung der Social Businesses wie Lemonaid oder Viva con Agua. Die Diskussion um die Verantwortung von Unternehmen ist ebenfalls alt. Es gilt die klassische Formel: Unternehmen sollen Produkte für Kunden entwickeln, Gewinne machen, für Beschäftigte da sein, ökologisch verantwortlich handeln und in dem direkten Umfeld, in dem sie tätig sind, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Die Dimensionen sind abgesteckt, aber aktuell verschieben sich die Schwerpunkte. Und das ist ja das eigentlich Herausfordernde. Zudem ist es ein Unterschied, ob ein Technologiekonzern mit seinen Innovationen eine Gesellschaft verändert oder ein Mode-Label seine Lieferkette verantwortungsbewusst aufstellt.

Warum ist das für Marketing und Kommunikation relevant?

Es ist relevant, weil Marketing nie dauerhaft gegen Zeitgeist funktioniert. Und es in Zeiten von Content Marketing als zentraler Formel Botschaften und Geschichten braucht, die die Menschen dauerhaft bewegen. Wer da unglaubwürdig ist, dem fällt das mittelfristig auf die Füße.

Welche Trends gibt es derzeit in der Kommunikation?

Es ist immer schwer nur einen Trend herauszugreifen. Klar ist: Wir leben in einer Zeit, die manche schon als „Greta-Zeitalter“ bezeichnen– in dem Unternehmen noch stärker als bisher mit einer Erwartungshaltung von Kunden konfrontiert sind. D.h. Unternehmen müssen die Erwartungshaltung ihrer Kunden kennen. Da hilft zuhören – auch Social Listening. Zweitens geht es um datengetriebenes Marketing. Das heißt, es geht um intelligente Datenanalysen. Jeder Kunde hat heute ein Erlebnis mit einer Marke. Aber häufig noch ein schlechtes. Und dabei gibt es gleichzeitig die Erwartungshaltung, dass Unternehmen immer und überall für Kunden da sind. Es gibt schon heute Unternehmen, die sehr gut datengestützt ihre Kunden analysieren und daraus Kampagnen ableiten oder – noch besser – Angebote machen, die Kunden helfen. Gleichzeitig gibt es aber auch eine Gegenbewegung in Zeiten der Digitalisierung. Es gibt zahlreiche Anlässe, an denen der persönliche Austausch wahnsinnig wichtig ist. Aber die Menschen haben Lust, neue Formate auszuprobieren. Festival statt Konferenz, eine besondere Inszenierung wie beim Hamburger Menetekel oder der Millerntor-Gallery. Eine trockene Diskussionsrunde – am besten nur mit Herren besetzt – wollen heute viele nicht mehr.

Welche Rolle spielt der Mensch im modernen Marketing?

Ich bin überzeugt, der Mensch spielt auch im Zeitalter der künstlichen Intelligenz eine große Rolle, besonders wenn er sich um andere Menschen und kreative Inhalte kümmert. Nicht jedes Unternehmen hat heute einen riesigen Marketing-Etat, sondern muss überlegen, wie es seine Endverbraucher oder Geschäftskunden erreicht. Wenn KI einem dabei hilft und Analysen übernimmt, ist das großartig. Wenn sie eigene Texte schreibt, ist das noch besser. Aber zurzeit gibt es immer noch wenige künstliche Intelligenzen, die die verschiedenen Systeme steuern und für eine sinnvolle Kommunikation sorgen.

Es ist immer noch gut, Themen mit Köpfen zu verbinden. Deshalb funktionierte Apple mit Steve Jobs, Microsoft mit Satya Nadella und auch Greta mit Fridays for Future.

Sie beschäftigen sich viel mit Personen, die in der Öffentlichkeit stehen…

Die CEO- oder Experten-Kommunikation ist ein gutes Beispiel, wie Kommunikation heute weiter von Mensch zu Mensch funktioniert – und bei dem digitale Kanäle eine Verstärkerwirkung haben. Das ist einer meiner Lieblingsbereiche. Es ist immer noch gut, Themen mit Köpfen zu verbinden. Deshalb funktionierte Apple mit Steve Jobs, Microsoft mit Satya Nadella und auch Greta mit Fridays for Future. Aber das Ganze geht auch eine Nummer kleiner als Experte. Ich finde es super interessant, wie die New Work und Female Leadership-Bewegung eine tolle Frau wie Tjen Onaran in die Öffentlichkeit gebracht hat. Sie steht für eine Bewegung, die Frauen mehr Einfluss in der Gesellschaft bringen möchte. Und sie verbinden auf vorbildliche Weise Diskussionen, Networking und Events mit Social Kommunikation und Medienarbeit.

Warum gibt es mattrs?

Kurz gesagt: uns geht es um sinnvolle Kommunikation – und das auf verschiedenen Ebenen: thematisch im Rahmen sinnvoller Themen und Geschäftsentwicklungen. Aber auch mit Blick auf einen sinnvollen Mitteleinsatz, welche Marketing und PR-Instrumente haben den größten Effekt, wenn sie als Mittelständler keine üppigen Etats haben – bis hin zu Ideen, die Sinn machen.

Was könnt ihr besonders gut?

Wir sind schnell, direkt, ehrlich, erfahren und haben richtig Lust auf gute Kommunikation. Unser Anspruch ist, Ideen und Maßnahmen zu entwickeln, die einen Effekt bei Kunden oder anderen Stakeholdern erzielen. Dabei denken wir nicht in Silos aus PR oder Marketing, da wir bei mattrs alle selbst in verschiedenen Rollen gearbeitet haben. Marina (Leunig) ist eine tolle Geschichtenerzählerin. Sie war bei der dpa und hat das (digitale) Marketing von Asklepios geleitet. Mathias (Rüsch) hat aus vielen Ideen oder Produkten Marken gemacht und das Design in zahlreichen digitalen und analogen Formaten entwickelt. Aber ihn nur als Marketer zu sehen, greift viel zu kurz, wenn man sich seine Rolle beim Aufbau von Viva con Agua anschaut. Und ich mache mir viele Gedanken über Strategien und das Positionieren von Marken, Menschen und Unternehmen und schaue mir Kommunikation ganzheitlich an. Dabei habe ich mir eine Liebe zur Detailarbeit bewahrt. Und wir glauben, dass das ein entscheidender Vorteil ist: Bei uns ist viel Erfahrung vorhanden, die Entscheidungswege sind aber extrem kurz. Wir können zudem große Projekte mit Hilfe unserer Partner- Agenturen und -Dienstleister in Hamburg, Köln, Berlin und Süddeutschland deutschlandweit skalieren.

Wie seid ihr aufgestellt?

Wir gliedern uns in drei Kernbereiche: mattrs identity, mattrs design und mattrs alive. Bei Strategiefragen arbeiten wir am liebsten im Team, denn in der Regel hilft es, Aufgaben aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Design wird maßgeblich von einem Team um Mathias geführt und bei alive zeigen sich Marina und ich verantwortlich. Wir können beraten und operativ umsetzen.

Was erwartest du: Wie sieht Kommunikation 2030 aus?

Der Blick in die Zukunft ist immer ein wenig Kaffeesatzleserei. Ich wünsche mir erstens, dass das KI-gestützte Marketing mir die Informationen bietet, die mich wirklich interessieren. Zweitens bin ich davon überzeugt, dass künstliche Intelligenz mit uns spricht und uns als Kollege Roboter hilft. Und drittens liegt mir als alter PR-Profi der Qualitätsjournalismus sehr am Herzen. Er hat die Zeit für Stories und Hintergrundberichte und muss nicht nur als Verlautbarungs- Journalismus daherkommen – und aus jeder Diskussion einen Streit und aus jedem Fehler einen Skandal machen.

Mathias Rüsch

Mathias Rüsch

Head of Design & Brand Strategist Kreativer Stratege mit dem Gespür für Marken, Trends, Styles und Kunden.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

about ideas, identities, people & brands